An Tagen wie heute geht es zu wie im Bienenstock. Ein junges Paar sucht günstige Möbel für die erste gemeinsame Wohnung, eine Kundin braucht eine Tüte für ihre Kleiderkäufe, ein Mitarbeiter hat eine Frage … Und mittendrin, freundlich und entspannt, drei Frauen. Kerrin Tubies, Imene Hasseine und Ines Sagner halten hier die Fäden in der Hand. Sie sind Anleiterinnen bei „Möbel und Mehr“, dem nachhaltigen Kaufhaus Hinter der Neustadt.
Sagner als pädagogische Fachkraft, Tubies zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit und tätig als Fachanleiterin, Hasseine als Sprach- und Kulturmittlerin. Wie nehmen die drei, die selbst nicht im Stadtteil wohnen, aber den Großteil des Tages hier verbringen, das Quartier Obere Neustadt wahr? „Bunt“, lautet die Antwort, spontan und unisono; so bunt halt wie die Kundschaft im nachhaltigen Kaufhaus.
Das hieß früher Sozialkaufhaus. Der mit Bedacht neu gewählte Name spiegele nicht nur eine gesellschaftliche Bewegung hin zu mehr Nachhaltigkeit in Konsum und Alltag wider, sondern auch das Konzept der Einrichtung von Beginn an, sagt Ines Sager, die bereits seit 2016 dabei ist. Die seit gut einem Jahr neuen Räumlichkeiten wenige Meter neben den alten verleihen dem Ganzen tatsächlich den Charakter eines gut sortierten Kaufhauses. Einzig die Upcycling-Werkstatt ist, aus Platzgründen, ins Husumer Gewerbegebiet umgezogen.
Für die drei Frauen ist das nachhaltige Kaufhaus mehr als ein Arbeitsplatz. „Ich arbeite doch nicht den ganzen Tag und abends zu Hause lebe ich …“, bringt Sagner es, unter lebhaftem Nicken ihrer Kolleginnen, auf den Punkt. Immerhin spiele sich ein bedeutender Teil ihres Lebens hier ab, so die gelernte Erzieherin und Bürokauffrau mit zahlreichen Fortbildungen in den Bereichen Kommunikation und Coaching. Entscheidend in diesem Zusammenhang sei, dass sie sich von ihrem Arbeitgeber, dem Diakonischen Werk Husum, von ihrer Geschäftsbereichleiterin, von ihrem Abteilungsleiter „gesehen und wertgeschätzt fühlen“, ergänzt Kerrin Tubies; Imene Hasseine nickt auch hierzu nachdrücklich.
Im Gespräch spürt man sofort: Auch das Dreierteam selbst harmoniert. Hier die Pädagogin mit einem breiten Erfahrungsschatz, dort die junge Seiteneinsteigerin (von Beruf „eigentlich“ Ökotrophologin) mit Begeisterung für ihr vielfältiges Arbeitsfeld, und als Dritte im Bunde die in Algerien geborene studierte Betriebswirtin mit der Fähigkeit, sowohl mit den Beschäftigten als auch mit der Kundschaft in drei Sprachen (deutsch, arabisch und französisch) zu kommunizieren.
Allen dreien liegt das Miteinander mit den hier beschäftigten Zusatzjobberinnen und -Jobbern (siehe Info unten) am Herzen. Darum setzt sich das gesamte Team regelmäßig zusammen. Dabei kommt alles auf den Tisch, damit sich eventuelle Spannungen gar nicht erst aufbauen. Ebenso wichtig ist die Öffnung nach außen, in den Stadtteil, zu Kundinnen und Kunden und allen, die es noch werden könnten.
Hier ist, neben ihrer Kollegin Imene Hasseine als „Kommunikatorin“, Kerrin Tubies eine Schaltstelle. Sie betreut die Website und den Facebook-Account, organisiert Workshops. Außerdem ist sie Fachanleiterin für die Module genannten Fachbereiche, in denen sich die Beschäftigten qualifizieren können – vom Kundenservice über Warenwirtschaft bis zu Lager, Transport und mehr.
Weitere Informationen über das Angebot des nachhaltigen Kaufhauses und über die (auch für Externe offenen) Workshops: https://www.moebel-und-mehr-husum.de/aktuelles/
Zusatzjobberinnen und -jobber: Das sind arbeitssuchende Frauen und Männer mit sogenannten Vermittlungshemmnissen. Vermittlungshemmnisse – ein nüchternes Verwaltungswort. Aber was genau „hemmt“ denn da? Die Aspekte sind so vielfältig wie die betroffenen Menschen: Langzeitarbeitslosigkeit, keine oder nur geringe schulische oder berufliche Kenntnisse, psychische Probleme oder Erkrankungen und, und, und ....
28 Bezieherinnen und Beziehern von Bürgergeld bietet Möbel und Mehr mit der angeschlossenen Upcycling-Werkstatt einen betreuten Arbeitsplatz und einen Zusatzverdienst von einem Euro pro Stunde. Gleichzeitig haben die Betroffenen die Möglichkeit, sich in verschiedenen Arbeitsfeldern zu qualifizieren und – wenn gewünscht, möglich und bei Bedarf mit Unterstützung wie etwa Bewerbungstraining – im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Text: Heike Wells